Wie kann ich in den Himmel kommen, wenn ich mich klein und schwach fühle? Wie kann ich den Weg meines Gebetslebens weiter gehen, wenn viele Hindernisse und Ablenkungen auf diesem Weg liegen?
Die kleine, heilige Thérèse v. Lisieux (1873 – 1897) hat einen neuen Weg entdeckt, um Jesus ganz nah zu kommen:
Ich will nach dem Mittel suchen, auf einem kleinen, ganz geraden Weg, einem ganz kurzen, einem kleinen, ganz neuen Weg in den Himmel zu kommen. Wir leben in einem Jahrhundert der Erfindungen. Jetzt ist es nicht mehr nötig, mühsam die Stufen einer Treppe hinaufzusteigen. Bei den Reichen ersetzt ein Aufzug die Treppe in vorteilhafter Weise.
Ich möchte auch einen Aufzug entdecken, der mich zu Jesus emporträgt, denn ich bin zu klein, um die mühsame Treppe der Vollkommenheit emporzusteigen.Dann befragte ich die Heiligen Bücher um die Angabe eines Aufzugs, dem Gegenstand meines Verlangens. Und ich las die Worte der ewigen Weisheit selbst: “Wenn jemand ganz klein ist, dann komme er zu mir!” (Sprüche 9,4).
Ich habe mich also Gott genähert, da ich wohl ahnte, das gefunden zu haben, was ich suchte. Da ich noch wissen wollte was er dem ganz Kleinen tun werde, setzte ich meine Forschungen fort; und dies habe ich gefunden: “Wie eine Mutter ihr Kind liebkost, so will ich euch trösten. An meiner Brust will ich euch tragen und auf meinen Knien euch wiegen” (Jesaja 66,12).
Niemals haben zärtlichere, an Wohlklang reichere Worte meine Seele erfreut. Der Aufzug, der mich zum Himmel erheben muss, sind deine Arme, o Jesus. Darum brauche ich nicht zu wachsen, im Gegenteil, ich muss klein bleiben, ich muss es immer mehr werden. O mein Gott, du hast meine Erwartungen übertroffen, und ich will deine Erbarmungen besingen!”
(Martin, Therese: Geschichte einer Seele. 348. Tausendste, überarbeitete, erweiterte Auflage 2014. Paulinus Verlag GmbH, Trier. S. 190-191)
Ich glaube, es gibt zwei Wege, die Mauern, die es auf unserem Gebetsweg gibt, zu überwinden:
- Die „Treppe der Vollkommenheit“ ist meiner Meinung nach die Hl. Teresa v. Avilá emporgestiegen. (= starker Wille, Überwinden im Gebet)
- Den „Aufzug“ hat die Hl. Thérèse v. Lisieux entdeckt und genommen. (= vertrauendes Gebet, Kleinbleiben)
zu 1) Was bedeutet es, die „Treppe der Vollkommenheit“ hinauf zu steigen?
Wir entscheiden uns, stark zu sein. Wir kämpfen uns durch unser Gebetsleben durch zu Jesus hin und überspringen jede Mauer mit aller Entschiedenheit. Wir lassen uns nicht von zahlreichen Ablenkungen abhalten, auf unserem Weg mit Jesus weiterzugehen. Wir gehen unseren Weg weiter in Entschlossenheit. Hindernisse und Mauern können z. B. Zerstreuung, aber auch unsere eigenen Sünden sein. Es geht viel um Willensstärke und das Überwinden alles Schlechten.
zu 2) Was bedeutet es den „Aufzug“ zu nehmen?
Wir können uns im Gebet fallen lassen in das Herz Jesu und Er wird uns, wenn wir Ihn vertrauensvoll darum bitten, über die Mauer tragen. Es geht viel um Vertrauen und Glaube. Wir dürfen ganz sanft und leise zu Ihm kommen. Wir dürfen klein bleiben. Darin verbirgt sich unser Schatz der Heiligkeit: ohne Angst, in vollem Vertrauen, dass Jesus gut ist, dürfen wir uns in Seine Arme schließen. Wir dürfen den Glauben haben, dass wir nicht abgelehnt werden.
Beide Wege, sowohl die Treppe als auch der Aufzug, sind gut. Beides hat mit Gebet zu tun.
Der erste Weg ist das aktive Gebet. Das kann eine beharrliche Bitte sein. Oder ein Wunsch nach Freisetzung, mit Nachdruck im Herzen an Jesus gerichtet.
Der zweite Weg ist der scheinbar leichtere Weg. Doch auch hier geht es um das Gebet. Versuchen wir uns im Herzen vertrauensvoll an Jesus zu wenden. Glauben wir, dass Er vollbringen kann, um was wir Ihn bitten. Suchen wir Ihn und sehnen wir uns danach, Ihm nahe zu sein. Das Vertrauen, das wir Ihm zeigen, wird seine Hilfsbereitschaft wecken. Schenken wir Ihm unser Vertrauen und lassen wir los. Lassen wir es Gott machen. Beten wir in unserem Herzen: ‚Jesus, sieh doch diese Mauer, dieses Hindernis. Bitte trage mich hinüber.‘
Vom Ende der Erde rufe ich zu dir; denn mein Herz ist verzagt. Führe mich auf den Felsen, der mir zu hoch ist!
Psalm 61,3
Wenn wir vor einer Mauer stehen, verzagen wir nicht. Und ist es dunkel, wo wir stehen, brauchen wir nicht schwarz zu sehen. Es gibt einen Weg. Beten wir zu Jesus. Wir können auf Ihn hoffen. Er steht bereits auf der Mauer und reicht uns seine Hand. Jetzt entscheiden wir uns in unserem Herzen, seine Hand zu nehmen.
Wenn wir im Dunkel liegen, überwinden wir uns und stehen wir auf. Er zieht uns hoch und hebt uns auf die Mauer. Wir können mit Ihm in ein weites Land schauen. Er zeigt es uns. Es ist hell von der Sonne beleuchtet und erstrahlt in warmen Farben. Unser Herz wird warm wie es dieses Land ist. Es kann wieder lebendig werden.
Ja, mit dir überrenne ich Scharen, / mit meinem Gott überspringe ich Mauern.
2. Samuel 22,30
-> Teil 2: Was bedeutet es, klein zu sein?
